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Multitasking?! Eine Fähigkeit, die eigentlich keine ist.

Multitasking?! Eine Fähigkeit, die eigentlich keine ist.

, 8 min Lesezeit

„Kannst du mehrere Dinge gleichzeitig managen?“ – diese Frage taucht in Stellenanzeigen und Gesprächen noch immer erstaunlich oft auf. Multitasking gilt vielen als Beweis für Effizienz, Überblick und Belastbarkeit. Der Haken: Was in der Praxis wie Produktivität aussieht, ist neuropsychologisch betrachtet ein Trugbild. Menschen erledigen keine zwei komplexen, bewussten Aufgaben gleichzeitig. Was wir Multitasking nennen, ist in Wahrheit schnelles Hin- und Herspringen – und genau dieses Task Switching kostet uns Zeit, Qualität und Nerven.

In diesem Beitrag schauen wir nüchtern auf die Forschungslage: Warum echtes Multitasking für das menschliche Gehirn nicht funktioniert, welche Nebenkosten im Arbeitsalltag entstehen – und wie du fokussierter arbeiten kannst, ohne im Strudel aus Pings, Mails und Meetings unterzugehen. Außerdem ordnen wir ein, warum das Thema heute – zwischen Digitalisierung, Homeoffice und KI-Debatte – besonders relevant ist und welche Soft Skills dich wirklich voranbringen.

1. Warum echtes Multitasking nicht existiert

Der Begriff stammt aus der Informatik: Computer verteilen Rechenzeit auf mehrere Prozesse und lassen so Gleichzeitigkeit entstehen. Beim Menschen läuft es anders. Unser Gehirn verfügt über begrenzte Aufmerksamkeits- und Arbeitsgedächtnis-Ressourcen. Wenn zwei anspruchsvolle Tätigkeiten gleichzeitig um dieselben Ressourcen konkurrieren (z. B. eine Mail formulieren und nebenbei einer komplexen Diskussion folgen), entsteht ein kognitiver Engpass – ein Flaschenhals. Die Folge sind Wechselkosten: Jedes Umschalten erfordert, den bisherigen Aufgabenkontext zu „parken“ und den neuen zu aktivieren. Das dauert, verbraucht mentale Energie und erhöht die Fehleranfälligkeit. Überblicksarbeiten aus der Kognitionspsychologie beschreiben diese Effekte seit Jahren sehr konsistent (z. B. die klassische Übersicht zu Task Switching von Stephen Monsell; siehe Trends in Cognitive Sciences und PDF).

Dazu kommt ein zweiter, subtiler Mechanismus: Attention Residue – der „Aufmerksamkeitsrest“. Nach einem Wechsel hängt ein Teil deiner Gedanken noch an der vorherigen Aufgabe; du bist physisch bei der neuen Tätigkeit, geistig aber nicht vollständig angekommen. Dieses Phänomen ist in der Organisationspsychologie seit Langem dokumentiert (vgl. Leroy, 2009). Praktisch heißt das: Selbst wenn du sofort weiterschreibst, denkt dein Kopf noch am Meeting-Protokoll weiter – und du arbeitest unter Tourenzahl.

Auch die Debatte um Media Multitasking liefert harte Hinweise: Menschen, die ständig zwischen parallelen Informationsströmen springen (Chat, Mails, Feeds, Tabs), schneiden in Tests zu Aufmerksamkeit, Interferenzkontrolle und flexiblem Umschalten tendenziell schlechter ab. Das zeigt die vielzitierte PNAS-Studie aus Stanford (Ophir, Nass, Wagner, 2009; PNAS, PubMed). Wichtig: Es geht nicht um Einzelfälle, sondern um statistische Muster – und die fallen gegen Multitasking aus.

Damit ist der Kernpunkt gesetzt: Nicht du „kannst nicht gut genug multitasken“ – das System „Menschliches Gehirn“ ist für parallele, bewusste Tätigkeiten schlicht nicht gebaut. Was funktioniert, ist das sequentielle Abarbeiten mit möglichst wenigen Kontextwechseln. Je komplexer die Aufgaben, desto stärker schlägt der Flaschenhals zu.

2. Was Multitasking im Job anrichtet

Warum wirkt Multitasking dann so attraktiv? Weil es sich kurzfristig nach Aktivität anfühlt: ein bisschen Mail, Zwischenruf im Chat, zwei Sätze am Konzept, nebenbei die Kalender-Einladung – Bewegung überall. Die längerfristige Rechnung sieht anders aus.

Produktivität und Qualität. In Laborsituationen sind Wechselkosten leicht messbar: Nach jedem Taskwechsel steigen Reaktionszeiten und Fehlerwahrscheinlichkeit; auch mit Vorbereitung verschwinden die Kosten nicht komplett (siehe Monsell, 2003). In der Wissensarbeit zeigt sich das als zäher Projektfortschritt, mehr Nacharbeit und schleppender „Wiedereinstieg“ nach Unterbrechungen.

Stress und Erschöpfung. Unterbrechungen lassen uns zwar oft schneller arbeiten, doch der Preis ist höherer Stress, mehr Frustration und erhöhter Zeitdruck. Das belegt eine vielzitierte Feldstudie (CHI-Konferenz) von Gloria Mark und Kolleginnen (PDF; ACM): Menschen kompensieren Unterbrechungen durch Tempo – zulasten des Wohlbefindens. Auch die APA verweist auf die Korrelation zwischen häufigem Aufmerksamkeitswechsel und Stress.

Team-Effekte. Wer in Meetings nebenbei Mails abarbeitet, verpasst Nuancen, wiederholt Fragen, bremst Entscheidungen – und setzt einen Dominoeffekt in Gang. In Projekten mit starken Abhängigkeiten sind solche Mikroverluste besonders teuer: kleine Verzögerungen vorn, große Reibung hinten.

Kreativität und Tiefgang. Komplexe Probleme lösen heißt: Zusammenhänge aufbauen, Hypothesen prüfen, mentale Modelle formen. Das gelingt am besten in längeren ungestörten Phasen. Häufige Kontextwechsel zerschneiden die gedanklichen Fäden, bevor du in den „Flow“ kommst. Ergebnis: sachlich korrekt, aber selten originell. In einer Arbeitswelt, in der KI Routineaufgaben übernimmt, ist das eine gefährliche Schieflage.

3. Warum das Thema gerade jetzt eskaliert

Digitalisierung und ständige Erreichbarkeit. Unser Arbeitsumfeld produziert mehr potenzielle Unterbrechungen denn je: E-Mail, Messenger, Projekt-Tools, Kalender-Pop-ups, Benachrichtigungen auf Desktop und Smartphone. Mit der Pandemie kam die breite Verankerung von Homeoffice und Hybridarbeit – ein Segen für Flexibilität, aber auch ein Turbolader für Always-on-Gewohnheiten. Eurofound dokumentiert seit 2020/21 die politischen und betrieblichen Antworten, etwa die Debatte um ein Right to Disconnect (Recht auf Nichterreichbarkeit) in Europa (Telework & Working Conditions; Regulatory frameworks).

Gesellschaftliche und betriebliche Dynamik. Untersuchungen zeigen: Wo Unternehmen ein klares Recht auf Nichterreichbarkeit verankern, berichten Beschäftigte häufiger hohe Arbeitszufriedenheit und bessere Work-Life-Balance (Eurofound, 2023). Die OECD findet Hinweise, dass solche Policies auch mit höherem Vertrauen zwischen Führung und Team einhergehen (OECD, 2023). Gleichzeitig mahnt die OECD: Regeln greifen nur, wenn sie kulturell unterstützt werden – wer impliziten Druck spürt, antwortet trotzdem nach Feierabend (Public Employment and Management 2023).

Arbeit mit KI. Je mehr Systeme Routinearbeit übernehmen, desto wertvoller werden menschliche Stärken: Fokus, Abstraktion, Urteilsfähigkeit, soziale Wirkung. Das ist die eigentliche Pointe: Nicht mehr möglichst viele Bälle zugleich jonglieren, sondern die richtigen Dinge in Tiefe und Qualität voranbringen – und das belastbar, wiederholbar, souverän.

4. Die bessere Alternative: Fokusarbeit – und die Soft Skills dahinter

Wer Multitasking durch Fokus ersetzt, gewinnt unmittelbar: weniger Fehler, schnellere Durchlaufzeiten, bessere Ergebnisse. Der Schlüssel liegt in einem Mix aus Methode und Haltung. Hier sind die Bausteine, die sich in der Praxis bewährt haben – bewusst schlank gehalten, damit du sie sofort umsetzen kannst.

1) Monotasking als Default. Eine Aufgabe zurzeit – bewusst entschieden. Öffne nur die Programme und Tabs, die du für diese Aufgabe brauchst. Lege das Handy außer Reichweite. Schalte Desktop-Benachrichtigungen ab. Klingt banal, wirkt aber enorm. Wer wirklich nur „eins nach dem anderen“ tut, eliminiert automatisch Wechselkosten und Attention Residue (vgl. Leroy, 2009).

2) Zeitblöcke statt Dauerfeuer. Plane Deep-Work-Fenster (z. B. 60–90 Minuten) ohne Meetings, Telefonate, Chat. In diesen Blöcken gilt: keine Mails, keine Messenger, keine „nur kurz“-Aufgaben. Setze dir ein sichtbares Schild („fokus“) in den Kalender – so sehen andere, dass du nicht erreichbar bist. Falls nötig, definiere mit deinem Team „stille Kernzeiten“.

3) Mikropausen richtig nutzen. Fokus ist ein Hochleistungszustand. Gönn dir regelmäßige kurze Pausen (z. B. Pomodoro 25/5 oder 50/10). Die Kunst: Pausen ohne Dopamin-Feuerwerk. Kein doomscrolling, lieber aufstehen, Wasser holen, durchatmen, Licht und Blickdistanz ändern. Dein Gehirn dankt es mit stabilerer Aufmerksamkeit.

4) Klar priorisieren – morgens, nicht ständig. Entscheide einmal am Tag, was heute wirklich zählt: maximal drei Schlüsselaufgaben. Nutze einfache Raster (z. B. Wichtigkeit × Wirkung). Alles andere ist Nachlade-Liste. So reduzierst du spontane Kontextwechsel durch „ach, das kann ich noch eben…“.

5) Kommunikationshygiene. Kläre im Team Antwortzeiten, „Ping-Fenster“ und Kanäle. Nicht jede Info braucht Echtzeit. Ein kurzer Leitfaden („Wann Chat, wann Mail, wann Ticket?“) spart zig Unterbrechungen. In Meetings: Geräte weg, Protokoll an, klare Entscheidungen. Das steigert nicht nur die Qualität – es ist gelebter Respekt.

6) Grenzen setzen – systematisch. Wenn deine Rolle Erreichbarkeit verlangt, definiere harte Außenkanten (z. B. 12–13 Uhr und 16–17 Uhr „Fenster“ für Rückrufe/Mails) und ebenso harte Fokuszeiten. Verankere das sichtbar im Kalender. Unternehmensebene: Prüfe Policies zum Right to Disconnect; die Evidenz spricht für positive Effekte auf Zufriedenheit und Balance (Eurofound).

7) Soft Skills trainieren – die wahren Hebel. Methoden helfen, aber getragen wird Fokusarbeit von Kompetenzen, die du aktiv aufbauen kannst:

  • Selbststeuerung: eigene Auslöser kennen (z. B. Langeweile, Stress) und wirksame Gegenstrategien parat haben (Mini-Pausen, Atemanker, Umweltgestaltung).
  • Priorisierung & Entscheidungsstärke: bewusst „Nein“ sagen, Optionen abschichten, Klarheit schaffen – auch wenn es unbequem ist.
  • Impulskontrolle & Achtsamkeit: Benachrichtigung ploppt auf – und du reagierst nicht automatisch. Das ist trainierbar.
  • Resilienz: mentale Ausdauer, sinnvolle Pausen, Schlafhygiene – Fokus ist Biologie, nicht nur Wille.
  • Reflexion: kurze Review am Tagesende: Was hat Fokus heute gestört? Welche Regel hat funktioniert? Was passe ich morgen an?

8) Starte klein, skaliere schnell. Ein perfektes System ist verlockend – aber oft nur ein schöner Aufschub. Nimm dir zwei Regeln für diese Woche vor (z. B. „vormittags keine Mails“ und „täglich 90 Minuten Deep-Work“). Miss die Wirkung, passe an, erweitere.

5. Fazit – und dein nächster Schritt

Multitasking ist kein Talent, sondern eine kognitive Sackgasse. Die Forschung ist deutlich: Unser Gehirn arbeitet seriell, Wechselkosten sind real, und Aufmerksamkeitsreste bremsen Leistung. Im Arbeitsalltag äußert sich das als Reibungsverlust, Nacharbeit, Stress – und am Ende als verpasste Chancen auf Qualität und Wirkung. Gerade in einer digital verdichteten Arbeitswelt mit Homeoffice, vielen Kanälen und dem Aufkommen leistungsfähiger KI lohnt sich die Gegenbewegung: Fokus als Kompetenz.

Du musst dabei nicht asketisch werden. Es reicht, wenn du deinem Gehirn öfter die Chance gibst, in Ruhe gute Arbeit zu machen – mit klaren Zeitfenstern, reduzierten Kanälen und einem bewussten „ein Ding zurzeit“. Der Rest ist Training: Selbststeuerung, Priorisierung, Impulskontrolle, Resilienz und Reflexion. Das sind keine Nebensächlichkeiten, sondern die Soft Skills, die über deine Wirksamkeit entscheiden.

Ausblick für Skillzeit-Leser: Wenn du diesen Weg strukturiert gehen willst, findest du im Skillzeit Skillbook ein praxisnahes System aus Fokus-Routinen, Reflexionsfragen und Tools, die dich im Alltag halten – ohne Overload, ohne Dogmen. Schritt für Schritt, mit spürbarem Fortschritt. Denn am Ende zählt nicht, wie viel du gleichzeitig anfasst, sondern wie gut du das Richtige zu Ende bringst.

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